Die Kunst des Abschiednehmens:

Warum gut abgeschlossene Lebensphasen so wichtig sind

 

 

Das Leben ist geprägt von Veränderungen und Übergängen. Jeder Lebensabschnitt, sei es die Schulzeit, eine berufliche Tätigkeit oder das Zusammenleben mit Kindern, endet irgendwann. Oft sind diese Abschiede absehbar und unausweichlich, doch wie wir damit umgehen, kann den Verlauf des weiteren Lebens beeinflussen. In einer umfassenden Analyse, die in sieben Einzelstudien durchgeführt wurde, untersuchten Schwörer et. al., (2019) die Auswirkungen von gut abgeschlossenen Abschieden – sogenannte „well-rounded endings“ – auf unsere Emotionen, unser Bedauern und die Leichtigkeit, mit der wir in neue Lebensphasen übergehen.

Was ist ein gut abgeschlossenes Ende?

Ein „well-rounded ending“ beschreibt ein Ende, das durch ein Gefühl der Vollständigkeit und des Abschlusses gekennzeichnet ist. Es bedeutet, dass eine Person das Gefühl hat, alles getan zu haben, was möglich war, und dass alle offenen Angelegenheiten geklärt sind. Dieses Gefühl der Vollständigkeit hilft, die emotionale Last vergangener Ereignisse loszulassen und sich besser auf zukünftige Herausforderungen zu konzentrieren.

Warum es wichtig ist, Lebensabschnitte gut zu beenden?

Die Forschung zeigt, dass gut abgeschlossene Enden mit einer Reihe positiver Effekte verbunden sind:

1. Positive Emotionen: Menschen, die das Ende einer Phase als gut abgeschlossen wahrnehmen, berichten von einem höheren Maß an positiven Emotionen und weniger negativen Gefühlen. Dieses Phänomen wurde sowohl in der Erinnerung an vergangene Ereignisse als auch in experimentell induzierten Szenarien bestätigt.

2. Weniger Bedauern: Ein wichtiger Aspekt eines gut abgeschlossenen Endes ist das reduzierte Gefühl von Bedauern. Während Menschen oft dazu neigen, nicht genutzte Gelegenheiten stärker zu bedauern als gemachte Fehler, zeigt die Studie, dass das Gefühl, eine Phase gut abgeschlossen zu haben, solche Reuegefühle mindern kann. Dies hilft, das Grübeln über vergangene Entscheidungen zu reduzieren und erleichtert das Loslassen.

3. Leichterer Übergang in neue Phasen: Wer eine Phase gut abschließt, kann einfacher in die nächste übergehen. Beispielsweise konnten Teilnehmer, die einen als subjektiv empfundenen "runden Abschied" erlebt hatten, in Tests schneller und konzentrierter auf neue Aufgaben reagieren. Das deutet darauf hin, dass ungelöste emotionale Themen weniger oft im Hintergrund ihre Aufmerksamkeit binden und den Übergang erschweren.

Wie Abschiede untersucht wurden

Um diese Zusammenhänge zu erforschen, führten die Forscher insgesamt sieben Studien durch:

- Erinnerungsbasierte Studien: In den ersten drei Studien sollten die Teilnehmer vergangene, vorhersehbare Abschiede,  wie den Abschluss eines Austauschjahres oder das Ende der Schulzeit reflektieren und bewerten, wie gut sie diese Phase abgeschlossen hatten

- Experimentell induzierte Abschiede: In den folgenden drei Studien erhielten die Teilnehmer Anweisungen über fiktive Charaktere, die entweder ein gut abgeschlossenes oder ein weniger gut abgeschlossenes Ende erlebten. Hier wurde untersucht, wie sich die fiktiven Abschiede auf die Emotionen der Teilnehmer auswirkten und wie leicht sie sich einen Übergang in die nächste Phase vorstellen konnten

- Laborstudie: In der letzten Studie wurde ein echtes Szenario simuliert, in dem die Teilnehmer ein Gespräch entweder gut oder weniger gut beendeten. Anschließend wurde ihre Konzentration und ihre Fähigkeit, sich auf eine neue Aufgabe zu fokussieren, gemessen

Die psychologische Bedeutung von Übergängen

Die Studienergebnisse zeigen, dass Menschen von einem Gefühl des Abschlusses profitieren, weil es das Bedürfnis nach „Closure“ stillt – dem Wunsch nach Klarheit und dem Vermeiden von Unsicherheit. Insbesondere in Übergangsphasen, in denen Zeit als begrenzt wahrgenommen wird, neigen Menschen dazu, nach einem emotionalen Abschluss zu streben. Ein gut abgeschlossener Lebensabschnitt hilft, den Blick nach vorne zu richten und neue Ziele unbeschwerter anzugehen.

Praktische Tipps: Wie man ein gutes Ende findet

1. Abschiedsrituale pflegen: Rituale, wie Abschiedsgespräche oder kleine bewusste Gesten des Abschieds, können helfen, ein Gefühl des Abschlusses zu schaffen. Sie bieten die Gelegenheit, sich bewusst zu verabschieden und helfen bei der emotionalen Verarbeitung.

2. Offene Themen klären: Bevor ein Lebensabschnitt endet, kann es hilfreich sein, noch offene Angelegenheiten zu klären. Das können Gespräche mit wichtigen Personen sein oder das Abschließen eines lange aufgeschobenen Projekts.

3. Bewusst reflektieren: Sich Zeit zu nehmen, um über den vergangenen Abschnitt und seine Bedeutung für das eigene Leben nachzudenken, kann helfen, ein Gefühl der Vollständigkeit zu entwickeln. Tagebuch schreiben oder Gespräche mit Freunden können dabei unterstützen.

Fazit: Die Kunst, gut Abschied zu nehmen

Ein gut abgeschlossenes Ende ist mehr als nur ein Schlussstrich – es ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Bewältigung von Veränderungen und einem gesunden Übergang in neue Lebensphasen. Die Forschung zeigt, dass diejenigen, die bewusst Abschied nehmen, weniger Bedauern empfinden, positiver gestimmt sind und sich leichter auf neue Herausforderungen einlassen können. Daher lohnt es sich, dem Ende eines Lebensabschnitts besondere Aufmerksamkeit zu schenken und es bewusst zu gestalten.

Quelle

Schwörer, B., Krott, N. R., & Oettingen, G. (2019). Saying Goodbye and Saying It Well: Consequences of a (Not) Well-Rounded Ending. Motivation Science.